Mascha Schädlich
Klimaaktivistin und Expertin beim Konzeptwerk Neue Ökonomie
Was bewegst du mit deiner Arbeit oder mit deinem Engagement?
Ich arbeite für das Konzeptwerk Neue Ökonomie. Das ist ein Verein in Leipzig, der sich für die soziale und ökologische Veränderung unserer Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt. Wir arbeiten zu verschiedenen Themen wie Klima, Digitalisierung, Bildung und Pflegearbeit.
Ein unendliches wirtschaftliches Wachstum auf unserem Planeten ist nicht möglich, da seine Ressourcen begrenzt sind (Postwachstum). Daher wollen wir unser Wirtschaftssystem nachhaltig verändern: Wir entwickeln Ideen, wie eine nachhaltige Wirtschaft aussehen könnte, statt auf finanzielle Gewinne zu setzen, von denen nur einige wenige profitieren.
Mit unserer Arbeitsweise versuchen wir das im Verein vorzuleben, zum Beispiel mit einer 25-Stunden-Woche oder basis-demokratischen Entscheidungsstrukturen. Das heißt, wir haben keinen Chef – und eine gerechte Bezahlung.
Wie bist du zu deinem heutigen Beruf bzw. zu deinem Engagement für Klima und Nachhaltigkeit gekommen?
Während meiner Schulzeit habe ich eine Ortsgruppe der Grünen Jugend mitgegründet. Mir wurde das dramatische Ausmaß des Klimawandels bewusst und gleichzeitig merkte ich, dass ich mit meinen Zukunftssorgen nicht alleine bin.
Beim Klimagipfel in Kopenhagen 2009 protestierte ich mit Tausenden. Während meines Politikstudiums war ich auf Klimacamps und bei Massenaktionen gegen Kohleverstromung aktiv. Nach zehn Jahren klimapolitischer Kämpfe und um die Hoffnung nicht zu verlieren, habe ich dann einen Kongress zu Utopien und gesellschaftlicher Transformation mitorganisiert.
Während der Pandemie habe ich meine Masterarbeit über die Funktion von Utopien für soziale Bewegungen geschrieben und mich auf meine jetzige Stelle im Konzeptwerk beworben. Dort mache ich mittlerweile Öffentlichkeitsarbeit für das Team, dass sich die Frage stellt, wie eine Digitalisierung aussehen könnte, die sozial und ökologisch ist.
Was motiviert dich, dich für das Klima und Nachhaltigkeit zu engagieren?
Die zahlreichen Waldbrände, Dürren und Überflutungen verdeutlichen die voranschreitende Klimakatastrophe. Für mich gibt es nichts Wichtigeres als mich für den Erhalt unserer Lebensgrundlage einzusetzen.
Diese Dringlichkeit und die gleichzeitig völlig ungenügenden Reaktionen seitens der Politik können schnell zu einem Gefühl von Ohnmacht führen. Diesen Gefühlen begegne ich, indem ich mich immer wieder in Gruppen von Menschen begebe, die ähnlich denken wie ich. Wir glauben, dass die Zukunft nicht egal und vor allem gestaltbar ist und ganz anders aussehen kann als unsere Gegenwart. Aus diesem Gemeinschaftsgefühl ziehe ich viel Kraft und Hoffnung.
Gleichzeitig musste ich lernen, dass ich mich nur engagieren kann, wenn ich auf ausreichend Ruhe und Erholung achte. Deswegen bin ich dafür, dass Selbstfürsorge einen höheren Stellenwert in unseren Leben bekommt.
Was können wir als Gesellschaft in naher Zukunft geschafft haben?
Wir schlagen als kurzfristige Lösung einen vergünstigten Energie-Grundbedarf vor, eine Umverteilung der Profite von Unternehmen, höhere finanzielle Unterstützung von bedürftigen Menschen, das Verbot von Strom- und Gasabschaltungen sowie weniger industrielle Produktion. Außerdem wünschen wir uns von der Bundesregierung mehr Transparenz über industrielle Verbrauchsdaten. Wir wissen nicht, wie viel Energie Unternehmen verbrauchen und werden stattdessen dazu aufgefordert, in unseren privaten Haushalten Energie zu sparen.
Für eine langfristige Transformation unserer Gesellschaft schlagen wir die demokratische Vergesellschaftung von Energieversorgung und Wohnraum, gezielten industriellen Rückbau mit Arbeitszeitverkürzung und eine Ernährungswende vor.
Wie sieht eine klimagerechte Welt in deiner Vorstellung aus? Was ist deine persönliche Klima-Utopie?
Der Energieverbrauch wird stark reduziert sein und komplett durch erneuerbare Energien gedeckt. Im Durchschnitt braucht jeder Mensch etwa ein Viertel des Verbrauchs im Vergleich zum Jahr 2020. Für ein gutes Leben gibt es eine Vielzahl energiearmer Vergnügen, die allen zur Verfügung stehen. Zugleich ist Energie für unsere Grundbedürfnisse – Mobilität, Wärme, Licht – Teil des Grundauskommens.
Mit Kooperation und Solidarität – statt Konkurrenz und Wettbewerb – konnten wir mit Energieräten effektive klimapolitische Strukturen schaffen. In den Energieräten wird diskutiert, wer wie viel Energie benötigt und es wird gemeinsam darüber abgestimmt.
Wie kannst du Schüler*innen unterstützen, die sich für das Klima und Nachhaltigkeit einsetzen wollen?
Schließ dich einer Gruppe an! Es gibt mittlerweile so viele verschiedene Möglichkeiten und Aktionsformen. Du kannst freitags für das Klima streiken, dich politisch engagieren oder dir Wissen aneignen, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die zukunftsfähig ist und mit anderen darüber sprechen.
Aber auch eine Ausbildung in einem Bereich, der für eine nachhaltige Gesellschaft relevant ist, ist eine Idee (z. B. im Öko-Landbau, Gesundheitswesen, erneuerbare Energien, öffentlicher Verkehr etc.).
Und Bücher lesen! Ich ziehe zum Beispiel sehr viel Inspiration aus utopischen Romanen. Ein absoluter Klassiker ist „Freie Geister“ von Ursula K. Le Guin! Falls du noch gar nicht so genau weißt, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte, dann schau doch mal in unsere Vision für 2048. In dem Buch gehen wir den Fragen nach „Wie wollen wir leben? Und wie kommen wir dahin?“
Foto: Mascha Schädlich